Wie kann ein wärmerer Nordatlantik das Wetter in Westeuropa beeinflussen?

In den letzten beiden Jahren lagen die Meeresoberflächentemperaturen im Nord Atlantik deutlich über den Werten der Vorjahre. Anhand einer Fallstudie von Februar 2019 untersuchen wir, wie sich die Meeresoberflächentemperatur auf die Wetterlage in Europa au

In den letzten beiden Jahren lagen die Meeresoberflächentemperaturen im Nord Atlantik deutlich über den Werten der Vorjahre. Sowohl in diesem als auch im letzten Jahr wurden kontinuierlich rekordnahe und rekordbrechende Temperaturen erreicht (Copernicus Climate Change Service/ECMWF, 2024).

Doch wie wirkt sich ein wärmerer Ozean auf das Wetter in Europa aus? Mit diesem Thema beschäftigt sich unsere Arbeit über eine Fallstudie von Februar 2019. Die Arbeit wurde in der Gruppe „Großräumige Dynamik und Vorhersagbarkeit“ begonnen und weitergeführt in Zusammenarbeit mit den Arbeitsgruppen „Mesoskalige Prozesse und Vorhersagbarkeit“ und „Regionales Klima und Wettergefahren“.

Im Februar 2019 wurden über Westeuropa und insbesondere Großbritannien Hitzerekorde aufgestellt. Im Vorfeld dieser winterlichen Hitzewelle entwickelten sich zwei starke Tiefdruckgebiete über dem Golfstrom, zogen ostwärts und beeinflussten die großräumige Strömungssituation über dem westlichen Nordatlantik und Europa. Aufgrund der großen Temperaturgradienten an der Meeresoberfläche ist der Golfstrom ein Gebiet, in dem sich häufig Tiefdruckgebiete bilden.

In dieser Studie haben wir speziell untersucht, wie sich eine Änderung der Meeresoberflächentemperatur in der Golfstromregion auf die Entwicklung von Tiefdruckgebieten auswirkt. Ein besonderes Augenmerk lag auf der Region vorderseitig der Kaltfront und im Warmsektor von Tiefdruckgebieten, wo starker Luftmassenaufstieg, Wolkenbildung und großflächiger Niederschlag im sogenannten „Warm Conveyor Belt“ (Abb. 1) stattfindet.  Dazu haben wir die Fallstudie mit dem beim Deutschen Wetterdienst (DWD) operationell eingesetzten numerischen Wettervorhersagemodell ICON mit bis zu 1,5°C wärmerer Meeresoberflächentemperatur in der Golfstromregion simuliert. Außerdem wurde der starke Temperaturgradient an der Meeresoberfläche in der Golfstromregion abgeschwächt, was die mittlere Meeresoberflächentemperatur der beiden Tiefdruckgebiete, die über diese Region hinwegziehen, verringert.

Abbildung 1: Meeresoberflächentemperatur (SST, in K), Bodendruck (schwarze Konturen in hPa), Wolkenbedeckung und aufsteigende Luftmassen („Warm Conveyor Belt“ Trajektorien, farbige Linien, blau in der unteren Troposphäre und rot in der oberen Troposphäre).

Die Simulationen zeigen, dass nach dem Durchzug der Tiefdruckgebiete durch die Golfstromregion kalte und trockene Luftmassen aus dem Norden über den Golfstrom transportiert werden und dabei durch die relativ warmen Meeresoberflächentemperaturen südlich des Golfstroms erwärmt und mit Feuchtigkeit angereichert werden (siehe auch Wenta et al. 2024). Diese Feuchtigkeit stellt eine Feuchtigkeitsquelle für den anschließenden Aufstieg im Warm Conveyor Belt dar. Diese aufsteigenden Luftmassen transportieren Feuchtigkeit nach oben, dabei bilden sich durch Kondensation großräumige Wolkenbänder und es entsteht Regen. Über wärmeren Meeresoberflächentemperaturen führt eine stärkere Verdunstung zu einer feuchteren Atmosphäre in der bodennahen Schicht. Da der Luftmassenaufstieg in Warm Conveyor Belts durch die latente Wärmefreisetzung bei der Wolkenbildung beeinflusst wird, führt die erhöhte Feuchte in den bodennahen Schichten zu einem stärkeren Warm Conveyor Belt Aufstieg (Abb. 2a, rote Linie) - zumindest im untersuchten Fallbeispiel. Außerdem führt dies zu größeren Regenmengen über dem Nordatlantik. Somit beeinflusst die Meeresoberflächentemperatur im Golfstrom die Wolken- und Niederschlagscharakteristik im Nordatlantik (Abb.2b, rote Linie).

Abbildung 2: (a) Anzahl der schnell aufsteigenden Luftmassentrajektorien, als Indikator für die Warm Conveyor Belt Stärke während des Zeitraums der Fallstudie. Die Farben stellen verschiedene Simulationen mit veränderten Eigenschaften der Meeresoberflächentemperatur in der Golfstromregion dar. Rot: wärmere Meeresoberflächentemperatur; Braun: Kontrollsimulation ohne Veränderung der Meeresoberflächentemperatur; Schwarz: idealisierter Temperaturgradient der Meeresoberfläche; Grün: abgeschwächter Temperaturgradient der Meeresoberfläche; Hellgrün: stark abgeschwächter Temperaturgradient der Meeresoberfläche (kein Golfstrom). (b) Akkumulierte Niederschlagsmenge im Nordatlantik während der Fallstudie im Februar 2019 für die gleichen Experimente wie in (a)

Die nächste Forschungsfrage beschäftigt sich mit Auswirkungen weiter stromabwärts über Westeuropa. Unsere Simulationen zeigen außerdem, dass der Warm Conveyor Belt mit der atmosphärischen Strömung interagiert und den Höhenrücken über Westeuropa verstärkt, der für die rekordverdächtigen Wintertemperaturen über Großbritannien verantwortlich war. Da der Warm Conveyor Belt Aufstieg durch mehr Feuchtigkeit in der bodennahen Schicht begünstigt wird, verstärkt die Wechselwirkung des aufsteigenden Luftstroms mit der Strömung den Höhenrücken stromabwärts.

Umgekehrt ist der Warm Conveyor Belt schwächer, wenn die Temperaturgradienten an der Meeresoberfläche über dem Golfstrom geringer sind (Abb. 2a, hellgrüne Linie), und es bildet sich weniger Regen (Abb. 2b, hellgrüne Linie). Dies wiederum führt in der betrachteten Fallstudie zu einer schwächeren Rückenbildung über Westeuropa.

Insgesamt zeigt unsere Studie, dass im speziellen Fall der Winterhitzewelle im Februar 2019, der eine Abfolge besonders starker Tiefdruckgebiete vorausging, die Meeresoberflächentemperaturbedingungen im Nordatlantik den Aufstieg der Luftmassen im Warm Conveyor Belt, die Regenbildung und die atmosphärische Strömung stromabwärts beeinflussen.

Svenja Christ, Marta Wenta, Christian Grams, and Annika Oertel

Copernicus Climate Change Service/ECMWF, 2024: Surface air temperature for June 2024, https://climate.copernicus.eu/surface-air-temperature-june-2024 (last viewed July 2024), 2024

Wenta, M., Grams, C. M., Papritz, L., and Federer, M.: Linking Gulf Stream Air–Sea Interactions to the Exceptional Blocking Episode in
February 2019: A Lagrangian Perspective, Weather and Climate Dynamics, 5, 181–209, https://doi.org/10.5194/wcd-5-181-2024, 2024.