Auf der Suche nach Hagelkörnern...
Im Rahmen des Projekts LIFT am Institut für Meteorologie und Klimaforschung am Karlsruher Institut für Technologie (KIT) sammelt die Arbeitsgruppe "Atmosphärische Risiken" derzeit Hagelkörner. LIFT steht für Understanding Large Hail Formation & Trajectories und ist ein von der Deutschen Forschungsgemeinschaft (DFG) gefördertes Projekt des KIT und der Universität Bonn. Übergeordnetes Ziel des Projekts ist ein besseres physikalisches Verständnis der Hagelentstehung und der Hagelkornverteilung, um die Hagelvorhersage auf kurzen Zeitskalen zu verbessern und Schadenabschätzungen durch Hagelschlag zu verbessern (siehe auch LINK).
Ein Teil des Projekts widmet sich der Vermessung von Hagelkörnern. Die Form eines Hagelkorns wird durch die Kombination von dynamischen und mikrophysikalischen Prozessen gesteuert. Die Form bestimmt außerdem, wie es schmilzt, wie es fällt und wie es vom Niederschlagsradar erfasst wird. All diese Faktoren haben Auswirkungen auf die Modellierung und Vorhersage von Hagelereignissen. Herkömmliche Hagelkornmessungen werden in der Regel mit Hilfe von Messschiebern entlang der Haupt-, Neben- und dritten Achse eines Hagelkorns vorgenommen, aber diese Messungen können komplexere Geometrien nicht erfassen (vgl. Abb 2). Je größer die Hagelkörner werden, desto weniger kugelförmig sind sie in der Regel und desto komplexer sind ihre Oberflächen, so dass die Messung dieser Komplexität umso wichtiger wird. Um die Form von Hagelkörnern korrekt zu erfassen, ist ein 3D-Scan mittels photogrammetrischen Verfahren erforderlich (vgl. LINK). Nach dem Scannen können Simulationen durchgeführt werden und mit Beobachtungsdaten (z.B. Radardaten, Trajektorienmessungen) verglichen werden. Es ist auch möglich, ein gescanntes Hagelkorn mit einem 3D-Drucker (vgl. Abb. 2) zu reproduzieren, um es für weitere Laboraktivitäten zu nutzen.
Zuätzlich erfolgt eine Querschnittsanalyse der Hagelkörner, indem diese „aufgeschnitten“ werden. Querschnitte bieten einen einzigartigen Einblick in die innere Zusammensetzung von Hagelkörnern (Abb. 3) und ermöglichen ein Verständnis der strukturellen Vielfalt innerhalb desselben Hagelsturms oder zwischen verschiedenen Hagelereignissen. Das milchige/undurchsichtige und transparente Eis bildet sich als Reaktion auf die verschiedenen mikrophysikalischen Bedingungen während der Wachstumsphase eines Hagelkorns. Undurchsichtiges Eis enthält eine hohe Konzentration winziger Luftbläschen, die eingeschlossen werden, wenn die anlagernden Wassertröpfchen fast augenblicklich gefrieren (trockenes Wachstum). Transparentes Eis entsteht, wenn die gesammelten Wassertröpfchen an der Oberfläche längeren Zeit flüssig bleiben und in die kleinen Poren eindringen können (feuchtes Wachstum). Es ist auch möglich, das Embryopartikel zu bestimmen, aus dem das Hagelkorn entstanden ist. Je nach Temperaturbereich in der Entstehungsphase ist das Embryo undurchsichtig, was auf einen Graupel-Embryo hindeutet (Abb. 3), oder durchsichtig, wenn es sich um einen großen gefrorenen Wassertropfen handeln. Messungen der Wachstumsringdicke und -form ermöglichen nicht nur ein besseres Verständnis der Wachstumsbedingungen, sondern dienen auch zur Validierung von Hagelwachstumsmodellen.
Dieses und nächstes Jahr sammeln wir im Rahmen unserer Messkampagneneinsätze in Baden-Württemberg selbst Hagelkörner. Allerdings bitten wir auch die Bevölkerung hier um aktive Mithilfe: nach einem Hagelereignis Hagelkörner ab einer Größe von rund 4 cm (Golfballgröße) vor der Haustür sammeln und am besten einzeln verpackt im Eisfach zwischenlagern. Meldungen (inkl. Foto) können per Mail an hagel∂imk-tro.kit.edu gesendet werden; wir holen dann die Hagelkörner bei Ihnen zu Hause ab. Damit kann jede/jeder dazu beitragen, die Vorhersage von Hagel zu verbessern!
Links/Referenzen:
Soderholm, J. S. and Kumjian, M. R.: Automating the analysis of hailstone layers, Atmos. Meas. Tech., 16, 695–706, https://doi.org/10.5194/amt-16-695-2023, 2023.
Soderholm, J. S.: Hail Observations. Link: https://sites.google.com/view/joshuasoderholm/current-projects/hail-observations.
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