Kommen starke Gewitter in Zukunft häufiger vor?
Schwere Gewitter – damit sind Blitze, Starkregen, Sturmböen und in manchen Fällen großer Hagel und Tornados verbunden. Diese Wetterereignisse gefährden Menschenleben und verursachen immer wieder schwere Schäden an Gebäuden, Infrastrukturen, an Fahrzeugen und in der Landwirtschaft. Hagel und Starkregen beispielsweise haben in Süddeutschland 2021 besonders zugeschlagen, etwa bei Tübingen und Reutlingen am 23. Juni.
Ob starke Gewitter in der Zukunft häufiger und/oder intensiver werden, ist besonders schwer zu prognostizieren – denn keines der globalen oder regionalen Klimamodelle kann sie zuverlässig simulieren. Daher betrachten Forschende meist die Bedingungen für das Auftreten solcher extremen Wetterereignisse und schließen daraus auf Änderungen in der Zukunft.
Wir untersucht in einem Projekt mit dem Versicherungsbroker Willis Towers Watson und der Columbia University, New York, die Häufigkeit starker Gewitter in Südafrika, einem Land, in dem solche Ereignisse besonders häufig vorkommen. Dazu werden Daten aus der automatisierten Auswertung von Satellitenbildern im Hinblick auf Gewitter verwendet. Die Methode wurde ursprünglich von der NASA entwickelt (Bedka, 2011; Bedka and Khlopenkov, 2016), aber auch zur Abschätzung der Hagelhäufigkeit und Beschreibung des Schadenrisikos in Europa und Australien verwendet (Punge et al. 2017, Bedka et al 2018). So können Statistiken zur Gewitter- und Hagelhäufigkeit über einen Zeitraum von 11 Jahren berechnet und gleichzeitig typische Umgebungsbedingungen für starke Gewitter identifiziert werden.
Zudem erproben wir verschiedene Methoden des maschinellen Lernens, um mittels geeigneter Proxys (indirekte Daten) aus Modelldaten auf Schwergewitter schließen zu können. Auf diese Weise können Trends aus verschiedenen Klimamodellen und Emissionsszenarien inklusive Signifikanzen und Unsicherheiten abgeschätzt und verglichen werden. Zunächst werden diese Methoden auf ERA5 Reanalysen angewendet und mit Beobachtungsdaten aus Satellitenbildern evaluiert.
Erste Ergebnisse zeigen, dass solche Proxys auf lokaler Skala zwar nur eine geringe Güte (z.B. Heidke Scill Score) erreichen. Auf größeren räumlichen Skalen nimmt die Güte der Vorhersage allerdings zu. In den Klimasimulationen wird der Schwellenwert des Schwergewitterproxys pro 1 Grad Erderwärmung um 6 bis 12 % häufiger erreicht oder überschritten (bedeutet: 6-12 % mehr Schwergewitter). Diese Ergebnisse sind noch als vorläufig zu betrachten, zeigen aber, dass das Klimasystem auch in Bezug auf starke Gewitter recht sensibel auf den Anstieg der Treibhausgaskonzentrationen reagiert. Vergangene Studien legen außerdem nahe, dass die Intensität extremer Niederschlagsereignisse besonders klimasensitiv ist (z.B. Lepore et al. 2015). Im weiteren Verlauf des Projektes soll daher auch zwischen verschiedenen Schweregraden der Gewitterereignisse unterschieden werden; zusätzlich sollen auch weitere Regionen betrachtet werden.
Referenzen:
- Bedka, K. M. (2011). Overshooting cloud top detections using MSG SEVIRI Infrared brightness temperatures and their relationship to severe weather over Europe. Atmospheric Research, 99(2), 175-189.
- Bedka, K. M., & Khlopenkov, K. (2016). A probabilistic multispectral pattern recognition method for detection of overshooting cloud tops using passive satellite imager observations. Journal of Applied Meteorology and Climatology, 55(9), 1983-2005.
- Bedka, K. M., Allen, J. T., Punge, H. J., Kunz, M., & Simanovic, D. (2018). A long-term overshooting convective cloud-top detection database over Australia derived from MTSAT Japanese advanced meteorological imager observations. Journal of Applied Meteorology and Climatology, 57(4), 937-951.
- Lepore, C., Veneziano, D., & Molini, A. (2015). Temperature and CAPE dependence of rainfall extremes in the eastern United States. Geophysical Research Letters, 42(1), 74-83.
- Punge, H. J., Bedka, K. M., Kunz, M., & Reinbold, A. (2017). Hail frequency estimation across Europe based on a combination of overshooting top detections and the ERA-INTERIM reanalysis. Atmospheric Research, 198, 34-43.
Autor: Heinz Jürgen Punge (Okt. 2021)