Serielles Clustering von Extremwetterereignissen in Mitteleuropa
- Ansprechperson:
M.Sc. K. Küpfer, Prof. Dr. M. Kunz
- Förderung:
Stiftung Umwelt und Schadenvorsorge
Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM)
Einführung
Das gehäufte Auftreten von Extremwetterereignissen in Deutschland und Mitteleuropa lässt sich anhand der aktuellsten Historie sehr gut verdeutlichen: Im Sommer 2021 wurden Deutschland und Mitteleuropa innerhalb kürzester Zeit von verschiedenen Extremereignissen getroffen. So war Ende Juni in Baden-Württemberg eine ungewöhnliche Häufung heftiger Gewitter verbunden mit Hagel und Starkregen zu beobachten, die viele lokale Sturzfluten und Überschwemmungen nach sich zogen. Mitte Juli kam es durch lang anhaltende, intensive Niederschläge in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz zu einer der schwerwiegensten Flutkatastrophe der letzten Jahre, die deutlich mehr als 100 Menschenleben forderte (Schäfer et al., 2021). Gleichzeitig ereignete sich Anfang Juli in Skandinavien eine Hitzewelle mit Rekordtemperaturen.
Allein zwischen 1950 und 2013 wurden in Deutschland Naturkatastrophen mit einer ökonomischen Schadenhöhe von etwa 29 Mrd. Euro registriert (EM-DAT; Kreibich et al., 2014). Dies lässt sich auf unterschiedliche Ereignisarten zurückführen: Etwa die Hälfte aller ökonomischen Schäden wurde durch Hochwasser ausgelöst, dicht gefolgt von Sturmschäden. Für Todesfälle hingegen waren vor allem Hitzewellen verantwortlich.
Ein Auftreten von mehreren Extremereignissen innerhalb kurzer Zeiträume trifft eine Gesellschaft besonders hart. Auch für Versicherer ist das Auftreten mehrerer Ereignisse innerhalb eines Jahres teurer als ein einzelnes Ereignis von derselben Schadenhöhe, da die Nettoauswirkung für Versicherer auch von der Anzahl der Ereignisse abhängt (Vitolo et al., 2009). Katastrophen- und Risikomodelle nehmen traditionell eine konstante Zeitspanne zwischen den Extremereignissen an, was dazu führt, dass das zeitliche (serielle) Clustering, d.h. das gehäufte Auftreten, und damit das Risiko unterschätzt wird (Vitolo et al., 2009). Die Betrachtung der Ursachen dieses kombinierten Auftretens und eine Prognose für die Zukunft ist daher von höchster Relevanz und Gegenstand dieses Projektes.
Wissenschaftlicher Hintergrund
Die Häufigkeit verschiedener Extremereignisse wie Hitzewellen, starke Frostepisoden, Winterstürme, Gewitter und hochwasserrelevante Starkniederschläge wird wesentlich durch die Lage und Ausprägung großräumiger Zirkulationsmuster (u. a. Telekonnektionen) bestimmt. Positive Phasen der Nordatlantischen Oszillation (NAO) beispielsweise sind in den Wintermonaten mit einer erhöhten Sturmaktivität in Mitteleuropa verbunden (Donat et al., 2010). Dagegen führen negative Phasen im Sommer zu einer vermehrten Gewitteraktivität (Piper und Kunz, 2017). Weiterhin kommt es bei hinreichender Persistenz bestimmter Zirkulationsmuster und Wetterlagen bzw. -regime zu einer Häufung entsprechender Wetterextreme über Zeiträume von Tagen bis zu mehreren Monaten (serielles Clustering; Vitolo et al., 2009). So waren sowohl die Sturmserien der Jahre 1990 (Daria, Vivian, Wiebke) und 1999 (Lothar, Anatol, Martin) als auch die Gewitterepisoden der Jahre 2016 (u.a. Sturzfluten in Braunsbach und Simbach) und 2018 (Piper et al., 2016; Mohr et al., 2020) Ausdruck eines solchen seriellen Clusterings.
Wenn in einem Jahr Telekonnektionen in besonderer Ausprägung bzw bestimmte Wetterregime dominant sind, kann dies zu einer außergewöhnlichen Häufigkeit verschiedener Wetterextreme mit entsprechenden Auswirkungen für Gesellschaft und Umwelt führen – wie bereits im Jahr 2013 mit der Abfolge einer ausgeprägten Hitzewelle, dem Hochwasser an Elbe und Donau und schweren Hagelstürmen (Andreas). Das zeitlich gehäufte Auftreten unterschiedlicher Extremereignisse infolge dominanter großräumiger Zirkulationsmuster ist allerdings bisher nur unzureichend erforscht. Daher wird im Rahmen dieses Projektes untersucht, wie sich bestimmte Telekonnektionsmuster und über einen längeren Zeitraum persistente Strömungskonfigurationen und Wetterregime auf diese kombinierte Häufigkeit verschiedener Wetterextreme im Jahresverlauf auswirken, und ob hier in der langzeitlichen Entwicklung Veränderungen durch den Klimawandel beobachtet werden können.
Das Projekt Serielles Clustering von Extremwetterereignissen in Mitteleuropa wird von der Stiftung Umwelt und Schadenvorsorge gefördert, welche regelmäßig Stipendien im Bereich Umwelt- und Klimaforschung ausschreibt. Aktuell ist das wissenschaftliche Arbeitsprogramm auf das Thema Extremwetter und seine Wechselwirkungen mit Umwelt, Gesellschaft und Wirtschaft ausgerichtet. Ein Thema innerhalb dieses wissenschaftlichen Arbeitsprogramms wird am KIT in der Arbeitsgruppe Atmosphärische Risiken und im Zusammenhang mit CEDIM erforscht.
Literatur
Donat, M. G., G. C. Leckebusch, J. G. Pinto, U. Ulbrich (2010): Examination of wind storms over Central Europe with respect to circulation weather types and NAO phases. In: International Journal of Climatology 30(9):1289–1300.
Kreibich, H., P. Bubeck, M. Kunz, H. Mahlke, S. Parolai, B. Khazai, J. Daniell, T. Lakes, K. Schröter (2014): A review of multiple natural hazards and risks in Germany. In: Natural Hazards 74(3):2279–2304.
Mohr, S., Wilhelm, J., Wandel, J., Kunz, M., Portmann, R., Punge, H. J., Schmidberger, Quinting, J. F., M., Grams, C. (2020): The role of large-scale dynamics in an exceptional sequence of severe thunderstorms in Europe May/June 2018. In: Weather Clim. Dynam. 1:325–348, doi:10.5194/wcd-1-325-2020.
Piper D., M. Kunz, F. Ehmele, S. Mohr, B. Mühr, A. Kron, J. Daniell (2016): Exceptional sequence of severe thunderstorms and related flash floods in May and June 2016 in Germany. Part I: Meteorological background. In: Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 16:2835–2850.
Piper, D., M. Kunz (2017): Spatiotemporal variability of lightning activity in Europe and the relation to the North Atlantic Oscillation teleconnection pattern. In: Nat. Hazards Eart Syst. Sci. 17:1319–1336.
Schäfer, A., Mühr, B., Daniell, J., Ehret, U., Ehmele, F., Küpfer, K., Brand, j., Wisotzky, C. Skapski, J., Rentz, L., Mohr, S., Kunz, M. (2021): CEDIM Forensic Disaster Analysis "Hochwasser Mitteleuropa, Juni 2021 (Deutschland)" Report Nr. 1, Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology, Karlsruhe, Deutschland, doi:10.5445/IR/1000135730.
Vitolo, R., D. B. Stephenson, I. M. Cook, K. Mitchell-Wallace (2009): Serial clustering of intense European storms. In: Metorologische Zeitschrift 18:411–424.