Sturmgefährdungs- und Sturmrisikokarte Deutschland (CEDIM)
- Ansprechperson: Dr. M. Kunz
- Projektgruppe: Wettergefahren / Risikokarte Sturm
- Förderung:
CEDIM (KIT / GFZ)
Projektbeschreibung
Ziel
Ziel des Projektes im Rahmen der „Risikokarte Deutschland“ des Center for Disaster Management and Risk Reduction Technology (CEDIM) ist die Entwicklung und Bereitstellung einer Sturmgefährdungs- und Sturmrisikokarte für ganz Deutschland. Damit können statistische Aussagen über die derzeitige Starkwindgefährdung in einer hohen räumlichen Auflösung von 1 km × 1 km gemacht werden.
Einführung
Als Stürme werden Starkwindereignisse bezeichnet, die mit verschiedenen Wettersystemen verbunden sein können. Dabei wird – mit abnehmender räumlicher Skala – unterschieden zwischen außertropischen Sturmtiefs, tropischen Wirbelstürmen, Föhnstürmen, Gewitterböen und Tornados. Aufgrund der großräumigen Ausdehnung ihrer Windfelder von über 1000 km verursachen Winterstürme in Deutschland mehr als die Hälfte der gesamten volkswirtschaftlichen Schäden durch Naturkatastrophen. Einzelne Sturmereignisse, die allerdings sehr selten auftreten, weisen ein Schadenpotential von mehr als 10 Mrd. € auf, wie beispielsweise die Orkane Lothar am 26. Dezember 1999 oder Kyrill am 18. Januar 2007 dokumentierten. Für Sturmschäden maßgeblich sind die kurzzeitigen Fluktuationen des Windes, die als Böen bezeichnet werden. Je nach Geländerauigkeit sind die Böen um einen Faktor zwischen 1.5 und 2 höher als die mittleren Geschwindigkeiten.
Sturmgefährdung über Deutschland
Sturmgefährdungskarten liefern Informationen darüber, mit welcher Wahrscheinlichkeit eine bestimmte Windgeschwindigkeit verbunden ist oder umgekehrt. Um deren hohe räumliche Variabilität annähernd realistisch abzubilden, sind entweder sehr dichte Messnetze oder Modellsimulationen mit hoher räumlicher Auflösung notwendig. Aus extremwertstatistischen Analysen von Sturmfeldern über einen klimatologischen Zeitraum (z.B. 30 Jahre) können dann Windgeschwindigkeiten für bestimmte Wahrscheinlichkeiten oder Wiederkehrperioden geschätzt werden. Ein solches Vorgehen wurde bei der Erstellung der Windgefährdungs- und Risikokarten umgesetzt (Heneka et al., 2006; Hofherr und Kunz, 2010).
Räumlich hoch aufgelöste Windfelder schwerer Sturmereignisse zwischen 1971 und 2000 wurden mittels eines statistisch-dynamischen Ansatzes herunterskaliert. Verwendet wurde hierfür das nicht-hydrostatische Karlsruher Atmosphärische Mesoskalige Modell (KAMM), das mit ERA-40 Reanalysedaten des Europäischen Zentrums für Mittelfristvorhersage (ECMWF) angetrieben und an Beobachtungsdaten angepasst wurde. An die simulierten mittleren Windgeschwindigkeiten wurden anschließend landnutzungsabhängige empirische Böenfaktoren angepasst. Auf der Grundlage der simulierten Windfelder wurden mittels Extremwertstatistk an allen Gitterpunkten im Untersuchungsgebiet Gefährdungskurven bestimmt. Eine eingehende Evaluierung der Ergebnisse mit unabhängigen Beobachtungsdaten konnte die hohe Güte und Zuverlässigkeit des Verfahrens bestätigen.
Die Gefährdungskarten zeigen kritische Regionen mit erhöhten Windgeschwindigkeiten je nach Exposition, Geländehöhe und Landnutzung. Für eine statistische Wiederkehrperiode von 5 Jahren beispielsweise betragen die Böenmaxima zwischen 23 m s-1 in tiefen Tälern und bis über 40 m s-1 in Küstennähe sowie über den Gipfeln der Mittelgebirge. Vor allem Sättel, Kanten, Flanken und Berggipfel weisen ein erhöhtes Gefährdungspotential durch extreme Windgeschwindigkeiten auf.
Die Daten der Windgefährdungskarte für verschiedene Wiederkehrperioden können über das Institut für Meteorologie und Klimaforschung bezogen werden.
Risikoabschätzung
Im Rahmen des Projekts wurde am Institut für Hydromechanik des KIT die Schadenanfälligkeit von Gebäuden durch Schadenfunktionen beschrieben, mit Hilfe derer sich Sturmschäden in Abhängigkeit der aufgetretenen Windgeschwindigkeiten berechnen lassen (Heneka et al., 2006; Heneka und Hofherr, 2011). Hierzu wurde auf der Grundlage detaillierter Schadendaten vergangener Sturmereignisse ein Schadenmodell erstellt und kalibriert. Aus den Risikokurven lassen sich durch Integration direkt die durchschnittlichen jährlichen Schäden berechnen, die durch Winterstürme an Wohngebäuden entstehen.
Damit ist es auch möglich, Schäden einzelner Sturmereignisse abzuschätzen oder vorherzusagen. Nähere Informationen darüber sowie eine Bezug der Risikokarten sind über CEDIM zu erfragen.
Publikationen
Hofherr, T., and M. Kunz, 2010: Assessment of extreme wind climatology for Germany. Clim. Res., 41, 105-123, DOI: 10.3354/cr00844.
Heneka, P., and T. Hofherr, 2011: Probabilistic winter storm risk assessment for residential buildings in Germany. Natural Hazards, 56, 815-831.
Heneka, P., T. Hofherr, B. Rock, and Ch. Kottmeier, 2006: Winter storm risk of residential structures - model development and application to the German state of Baden-Württemberg, Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 6, 721-733.
Gefährdung durch Winterstürme in Deutschland: Maximale Sturmböen für eine Wiederkehrperiode von 5 Jahren.
Böengeschwindigkeiten (Konturen) und Schäden an Wohngebäuden (Säulen) für 5-stellige PlZ-Bezirke nach Lothar am 26.12.1999 über Baden-Württemberg (links) und unter Annahme einer 10% höheren Windgeschwindigkeit (rechts).