Besserer Schutz vor Sturzfluten durch Künstliche Intelligenz?

Neues BMBF-gefördertes Verbundprojekt KI-HopE-De (Kl-gestützte Hochwasserprognose für kleine Einzugsgebiete in Deutschland) gestartet

Starkregen und Hochwasser in kleinen Flusseinzugsgebieten (5–500 km²) zählen zu den gravierendsten Naturgefahren in Mitteleuropa, wie z.B. die Braunsbach-Flut in 2016 auf dramatische Weise gezeigt hat. Sie gefährden Menschenleben und verursachen umfangreiche materielle Schäden (Mohr et al., 2023, Ludwig et al., 2023) und stellen somit eine gesellschaftlich hochrelevante Herausforderung dar. Hochwasserereignisse auf dieser Skala entstehen schnell und lokal, wodurch die Vorwarnzeiten kurz und die Unsicherheiten der meteorologischen und hydrologischen Vorhersagen groß sind. Die Bundesländer veröffentlichen deshalb für kleinere Flüsse meist nur regionale, einzugsgebiets- oder landkreisbezogene Warnstufen und keine detaillierten Vorhersagen.

Hier versucht das mit 1,8M€ vom BMBF-geförderte Verbundprojekt KI-HopE-De (Kl-gestützte Hochwasserprognose für kleine Einzugsgebiete in Deutschland) Neuland zu betreten. Aktuelle Forschung zeigt, dass moderne Methoden des maschinellen Lernens (ML), insbesondere aus dem Bereich des Deep Learning, in der Lage sind, komplexe Zusammenhänge in hydrologischen Datensätzen zu erlernen und damit robuste und recheneffiziente Simulationen auf Basis hydrometeorologischer Messdaten und numerischer Wettervorhersagen zu generieren. „Diese Modelle sind den physikalisch basierten Modellen, wie sie aktuell in der operationellen Hochwasservorhersage eingesetzt werden, mindestens ebenbürtig und teilweise bereits überlegen.“, sagt Dr. Ralf Loritz, der Leiter des Projektes vom Institut für Wasser und Umwelt (IWU) des KIT.

Vergleich eines konventionellen hydrologischen Modells (HBV, rechts) mit einem maschinell gelerntem (LSTM, links) an 1582 Pegeln in Deutschland auf Basis des Nash–Sutcliffe model efficiency (NSE) Koeffizienten (je höher desto besser). Das ML-Modell ist an fast allen Pegeln ähnlich bis besser als das konventionelle. Abbildung aus Loritz et al. (2024).

Das Ziel von KI-HopE-De besteht darin, die Genauigkeit von kurzfristigen Hochwasservorhersage (bis zu 48 Stunden) in kleinen Einzugsgebieten durch den Einsatz von ML-Methoden zu steigern. Dabei setzt das Projekt auf eine interdisziplinäre und interinstitutionelle Zusammenarbeit, die Expertisen aus den Bereichen Hydrologie, Meteorologie und ML vereint sowie universitäre Forschung mit operationellen Aspekten von Landes- und Bundesbehörden verknüpft, so dass der Praxistransfer und der kontinuierliche Modellbetrieb nach Projektabschluss gewährleistet sind. Neben dem IWU sind auch die beiden KIT-Institute für Meteorologie und Klimaforschung Troposphärenforschung (IMKTRO, Knippertz) und für Statistik (STAT, Lerch) beteiligt. Auf Behördenseite ist es der Deutsche Wetterdienst und die Hochwasservorhersagezentralen der Länder Baden-Württemberg, Rheinland-Pfalz, Nordrhein-Westfalen und Brandenburg.

KI-HopE-De wird das erste nationale, ML-basierte, probabilistische Hochwasservorhersagemodell für kleine Einzugsgebiete in Deutschland entwickeln. „Dabei streben wir eine hybride Integration von hydrologischem und meteorologischem Expertenwissen, bestehenden physikalischen Vorhersagemodellen und ML- Modellen an, um eine möglichst robuste Modellarchitektur zu schaffen.“, sagt Prof. Dr. Peter Knippertz vom IMKTRO, einer der Projekt-PIs. Durch die Entwicklung eines konsistenten, länderübergreifenden Modells, das mit umfangreichen Daten aus ganz Deutschland trainiert wird, soll die Modellstabilität sowie Daten- und Recheneffizienz optimiert werden. Darüber hinaus entsteht durch KI-HopE-De der weltweit erste öffentlich zugängliche, hydro-meteorologische Benchmark-Datensatz mit umfangreichen Mess- und Vorhersagedaten, der über das Projekt hinaus als Basis für die Entwicklung und den Vergleich moderner hydrologischer ML-Vorhersagemodelle dienen soll.

AG Atmosphärische Dynamik

Referenzen

Mohr, S.; Ehret, U.; Kunz, M.; Ludwig, P.; Caldas-Alvarez, A.; Daniell, J. E.; Ehmele, F.; Feldmann, H.; Franca, M. J.; Gattke, C.; Hundhausen, M.; Knippertz, P.; Küpfer, K.; Mühr, B.; Pinto, J. G.; Quinting, J.; Schäfer, A.; Scheibel, M.; Seidel, F.; Wisotzky, C., 2023: A multi-disciplinary analysis of the exceptional flood event of July 2021 in central Europe – Part 1: Event description and analysis. Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 23, 525–551, doi:10.5194/nhess-23-525-2023.

Loritz, R., Dolich, A., Acuña Espinoza, E., Ebeling, P., Guse, B., Götte, J., Hassler, S. K., Hauffe, C., Heidbüchel, I., Kiesel, J., Mälicke, M., Müller-Thomy, H., Stölzle, M., Tarasova, L., 2024: CAMELS-DE: hydro-meteorological time series and attributes for 1555 catchments in Germany, Earth Syst. Sci. Data, 16, 5625–5642, https://doi.org/10.5194/essd-16-5625-2024.

Ludwig, P.; Ehmele, F.; Franca, M. J.; Mohr, S.; Caldas-Alvarez, A.; Daniell, J. E.; Ehret, U.; Feldmann, H.; Hundhausen, M.; Knippertz, P.; Küpfer, K.; Kunz, M.; Mühr, B.; Pinto, J. G.; Quinting, J.; Schäfer, A.; Seidel, F.; Wisotzky, C., 2023: A multi-disciplinary analysis of the exceptional flood event of July 2021 in central Europe. Part 2: Historical context and relation to climate change. Nat. Hazards Earth Syst. Sci., 23, 1287–1311, doi:10.5194/nhess-23-1287-2023