Wie misst man den "Puls" der tropischen Atmosphäre?
ie tropische Atmosphäre umfasst eine spektakuläre Bandbreite an Wettererscheinungen, die von kurzlebigen Gewittern mit wenigen Kilometern Durchmesser über tropische Wirbelstürme mit Durchmessern von einigen 100 km bis hin zu Wellen reichen, die sich entlang des gesamten Äquators erstrecken. Vor mehr als 50 Jahren entwickelte der japanische Meteorologe Taroh Matsuno eine Theorie, um sogenannte Äquatorialwellen („Equatorial Waves“, EWs) zu verstehen und zu beschreiben, die bis heute weit verbreitet ist. EWs sind die mathematischen Lösungen eines vereinfachten Satzes von Gleichungen, die die tropische Atmosphäre beschreiben. Die verschiedenen EW-Typen breiten sich in Ost-West-Richtung und vertikal mit unterschiedlichen Geschwindigkeiten und horizontalen Strukturen aus. Da sie Wolken, Niederschlag und Wind beeinflussen, sind sie für die Wettervorhersage in den Tropen von großem Interesse. In den 1990er Jahren wurden Matsunos Ideen erstmals auf Wolkendaten vom Satelliten angewendet, um die Kopplung von EWs mit Niederschlagssystemen in der realen Atmosphäre nachzuweisen. In den letzten 25 Jahren wurden mehrere neue Ansätze entwickelt, um EWs aus Wind-, Druck-, Wolken- und Niederschlagsfeldern objektiv zu identifizieren, die dabei verschiedene Aspekte der Wellen hervorheben.
Nun ist im angesehenen Quarterly Journal der Royal Meteorological Society ein neuer Artikel erschienen, der erstmals sechs verschiedene EW-Identifizierungsmethoden systematisch in einer Fallstudie und im klimatologischen Kontext vergleicht. „EWs haben mich schon lange interessiert, weil sie für die Wettervorhersage in den Tropen so wichtig sind“, sagt Peter Knippertz, Erstautor der neuen Studie, „aber ich war manchmal irritiert über die scheinbar widersprüchlichen Ergebnisse verschiedener Ansätze (siehe Abbildung).“ Während eines Sabbaticals an der Monash University in Melbourne (Australien) im Jahr 2020 war die Zeit endlich reif, das Problem anzugehen. Knippertz lud führende Forscher:innen, die weltweit an EWs arbeiten, ein, sich an dem Vergleichsprojekt zu beteiligen. „Es war großartig, mit diesen exzellenten Wissenschaftler:innen zusammenzuarbeiten“, erinnert er sich, „aber es war keineswegs trivial, Zeit für Online-Treffen zu finden, da die Mitglieder der Gruppe in sieben verschiedenen Zeitzonen leben“. „Als wir anfingen, waren alle optimistisch, dass das Projekt während Peters Sabbatical abgeschlossen werden kann“, sagt Andreas Fink, einer von drei Co-Autoren dieser Studie vom KIT, „aber dann mussten wir feststellen, dass die Sache viel komplizierter ist als wir dachten".
Das sehr umfassende Endergebnis hat sich als Mittelweg zwischen Übersichtsartikel und originärer Forschung herausgestellt und kann hoffentlich zu einer Standardreferenz für alle an diesem Thema interessierten Forscher:innen werden. „Aufgrund unserer Ergebnisse empfehlen wir generell, eine Kombination aus Methoden und Eingabefeldern, um die Robustheit des identifizierten Signals zu prüfen“, so Knippertz abschließend. Im Falle einer Übereinstimmung kann man der Identifikation der EW gutes Vertrauen entgegenbringen. Bei größeren Diskrepanzen ist sorgfältig zu prüfen, welche Annahmen für die einzelnen Methoden höchstwahrscheinlich nicht erfüllt sind. Letztendlich wird die neue Studie Forscher:innen helfen, jeweils den Ansatz zu wählen, der für ihre jeweilige Problemstellung optimal geeignet ist, so dass Fehlinterpretationen der Ergebnisse vermieden werden können.
Knippertz, P.; Gehne, M.; Kiladis, G. N.; Kikuchi, K.; Rasheeda Satheesh, A.; Roundy, P. E.; Yang, G.-Y.; Žagar, N.; Dias, J.; Fink, A. H.; Methven, J.; Schlueter, A.; Sielmann, F.; Wheeler, M. C., 2022: The intricacies of identifying equatorial waves. Quart. J. Roy. Meteorol. Soc., DOI:10.1002/qj.4338
Arbeitsgruppe: Atmosphärische Dynamik