Flugzeug- und Lidarmessungen während der CROSSINN-Kampagne: komplexe, noch nie so beobachtete Struktur der Talquerzirkulation
Während der Austausch von Masse, Impuls und Energie über horizontal homogenem, flachem Gelände meist durch turbulente vertikale Durchmischung angetrieben wird, tragen thermisch und dynamisch angetriebene mesoskalige Strömungen wesentlich zum Erdoberfläche-Atmosphärenaustausch in der atmosphärischen Grenzschicht über bergigem Gelände (MoBL) bei. Das Zusammenwirken dieser auf mehreren Skalen wirkenden Prozesse führt zu einer großen räumlichen Variabilität und einer komplexen Struktur der MoBL, deren Erfassung eine umfangreiche Instrumentierung und angepasste Messstrategie erfordern.
Abb.1: (a) Untersuchungsgebiet im Inntal (Kartendaten: Google Earth, 2020 Maxar Technologies). Die Flugstrecken der DLR Cessna Grand Caravan 208b quer zur Talachse sind orangefarben und die längs zur Talachse sind grün gekennzeichnet (d). Die Fotografien in (b), (c) und (e) zeigen die CROSSINN-Instrumentierung an den drei bodengestützten Standorten Mairbach, Hochhäuser und Kolsass.
Um die dreidimensionale Strömungsstruktur zu erfassen und ihre Auswirkungen auf die MoBL in einem großen Alpental zu bestimmen, haben wir vom 1. August bis 13. Oktober 2019 eine Feldkampagne im Inntal, Österreich, durchgeführt. Dazu nutzten wir ein bestehendes Messnetz, das sich aus Boden- und Fernerkundungsinstrumenten zusammensetzt und ergänzten dieses durch weitere bodengestützte Fernerkundungsgeräte, bestehend aus sechs Doppler-Lidaren, einem Ceilometer, einem Raman-Lidar und einem Mikrowellen-Radiometer. Zusätzlich fanden Radiosondenaufstiege und Flugzeugmessungen im Beobachtungsgebiet statt (Abb. 1). Ziel des Experiments CROSSINN (Cross-valley flow in the Inn Valley investigated by dual-Doppler lidar measurements) war es, die mittlere und turbulente Charakteristik der Strömung im der MoBL unter verschiedenen synoptischen Bedingungen zu erfassen und einen umfangreichen Datensatz für die Validierung von Mesoskalen- und Large-Eddy-Simulationen bereitzustellen. Von besonderem Interesse war die Vermessung der zweidimensionalen Strömung in einer vertikalen Ebene senkrecht zur Talachse mit Hilfe von koplanar-synchronisierten Doppler-Lidar-Scans.
In Abb. 2 ist ein Beispiel für eine talübergreifende Zirkulationszelle, die die gesamte MoBL des Tals beeinflusst, dargestellt. Mit Blick Richtung Talausgang (Richtung Osten) manifestiert sich die Zirkulation als eine gegen den Uhrzeigersinn gerichtete Wirbelbewegung, mit einem breiten Aufwindgebiet über dem südlichen und breiten Abwindgebiet über dem nördlichen Talhang (Abb. 2a). Zu diesem Zeitpunkt lag ein Talaufwind vor, d.h. aus der Abbildung heraus und fast senkrecht zu der in der Abbildung gezeigten Ebene. Die während dieses Zeitraums durchgeführten in-situ Flugzeugmessungen (Abb. 2b) zeigen ebenfalls diese mittels Fernerkundung beobachtete Zirkulation. Die Abschätzung der Terme des Impulsbudgets deutet darauf hin, dass die Zirkulation aus einem Ungleichgewicht der Kräfte im talübergreifenden Impulsbudget resultiert, das auf eine leichte Krümmung des Tals im Untersuchungsgebiet zurückzuführen ist (Ungleichgewicht zwischen einer nach Süden gerichteten Zentrifugalbeschleunigung und einer nach Norden gerichteten Druckgradientkraft). Ein ähnliches Phänomen wird gewöhnlich in gekrümmten Strömungen (z.B. Flüssen) beobachtet. Solche anhaltenden Regionen mit Auf- und Abwärtsbewegungen, die mehrere Stunden lang anhalten, verändern sowohl den horizontalen als auch den vertikalen Luftmassenaustausch innerhalb des MoBL erheblich.
Abb. 2: (a) Talübergreifende Zirkulation während des 14. August 2019: (a) zweidimensionales Windfeld (Pfeile) und Vertikalwind (farbkodiert), ermittelt aus den koplanaren Doppler-Lidar-Scans
und gemittelt für den Zeitraum von 18:00 bis 18:45 Uhr (Ortszeit) und (b) Vertikalwind (farbcodiert) und zweidimensionalen Windvektor, projiziert auf die vertikale Ebene (Pfeile), gemessen während des Messflugs quer zur Talachse zwischen 17:59 und 18:17 Uhr. Von links nach rechts zeigen die Markierungen die Standorte von Mairbach, Kolsass und Hochhäuser an.
Arbeitsgruppe: Landoberflächen und Grenzschicht